Vorkaufsrecht – wenn sich beim Immobilienkauf einer vordrängeln darf

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Wer eine Immobilie kaufen oder verkaufen will, die mit einem Vorkaufsrecht belastet ist, muss einiges beachten. Ein Überblick über notwendige Voraussetzungen, Fristen und mögliche Strafen, wenn das Vorkaufsrecht umgangen wird.

Vorkaufsrecht – das Wichtigste in Kürze

  • Soll eine mit Vorkaufsrecht belastete Immobilie verkauft werden, darf der Vorkaufsberechtigte in den bereits vereinbarten Vertrag statt des Käufers eintreten.
  • Der Vorkaufsberechtigte muss zu denselben Konditionen kaufen, wie der Erstkäufer es getan hätte.
  • Der Vorkaufsberechtigte muss innerhalb von 30 Tagen in den Kaufvertrag eintreten, sonst erlischt sein Anspruch.
  • Der Vorkaufsfall tritt nicht ein bei Tauschgeschäften, Erbschaft, Schenkung oder bei der Übertragung von Gesellschaftsanteilen.
  • Wird das Vorkaufsrecht umgangen, droht dem Verkäufer eine Schadenersatzzahlung.

Was ist das Vorkaufsrecht?

Das Vorkaufsrecht ist ein Sonderrecht in Österreich. Gesetzlich verankert ist es im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) in den Paragrafen 1072 bis 1079. Demnach gibt es ein Vorkaufsrecht für bewegliche Gegenstände sowie unbewegliche, wie beispielsweise Grundstücke.

Es gibt drei Arten von Vorkaufsrecht:

  1. Das schuldrechtliche Vorkaufsrecht: Hierbei wird das Vorkaufsrecht durch einen Vertrag geschaffen. Dieser kann speziell für das Vorkaufsrecht oder als Teil eines anderen Vertrages verfasst werden
  2. Das dingliche Vorkaufsrecht: Dabei handelt es sich um ein ins Grundbuch eingetragenes Vorkaufsrecht. Voraussetzung dafür ist ein notariell beglaubigter Vertrag.
  3. Das gesetzliche Vorkaufsrecht: Es gibt in Österreich vereinzelt auch gesetzliche Regelungen, die ein Vorkaufsrecht vorsehen. Das ist zum Beispiel im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) der Fall, welches Bauvereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen ein Vorkaufsrecht einräumt (§ 15g WGG).

Der Vorteil des dinglichen Vorkaufsrechts gegenüber des schuldrechtlichen ist, dass die Stellung des Vorkaufsberechtigten verstärkt ist. Mag. Markus Wieneroiter, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Immobilienrecht erklärt: „Der Vorkaufsberechtigte kann beim dinglichen Vorkaufsrecht die Herausgabe der Sache von einem Dritten einfordern.“ Das heißt, selbst wenn der Verkauf bereits stattgefunden hat, kann der Vorkaufsberechtigte die Immobilie beziehungsweise das Grundstück zurückfordern. Beim schuldrechtlichen Vorkaufsrecht hat er ausschließlich ein Recht auf Schadenersatz (§1079 ABGB).

Info

Das Vorkaufsrecht im Grundbuch

Das Vorkaufsrecht wird im Grundbuch auf dem C-Blatt – auch Lastenblatt genannt – eingetragen und fungiert gleichzeitig als Vormerkung. Die Kosten setzen sich aus den Gebühren für Grundbuchsgesuch, elektronischem Rechtsverkehr (ERV) und die Beglaubigungskosten durch den Notar zusammen. Ein Grundbuchgesuch kostet derzeit 47 Euro, die ERV-Kosten betragen zwölf Euro. Die Kosten für den Notar hängen vom Umfang ab. In der Regel zahlt der Vorkaufsberechtigte den Eintrag.

Wie lange gilt das Vorkaufsrecht?

Das Vorkaufsrecht gilt so lange, bis der Berechtigte sein Recht im Verkaufsfall wahrnimmt, es ausschlägt, er stirbt oder es im Einverständnis aller Beteiligten eine vertragliche Änderung gibt beziehungsweise das Grundbuch geändert wird. Das Vorkaufsrecht kann weder auf eine andere Person übertragen werden, noch ist es vererbbar (§ 1074 ABGB).

Wann tritt der Vorkaufsfall ein?

Ein Vorkaufsrecht kommt immer dann zur Geltung, wenn der Eigentümer seine Liegenschaft beziehungsweise sein Haus oder seine Eigentumswohnung verkaufen will. Besteht ein Vorkaufsrecht, kann der Eigentümer direkt auf den Vorkaufsberechtigten zugehen und mit ihm einen Kaufvertrag aushandeln. Verhandelt er jedoch mit einer anderen Person einen Kaufvertrag, kann der Vorkaufsberechtigte dann zu identischen Bedingungen anstelle des Interessenten in den Kaufvertrag einsteigen. Der Dritte geht in diesem Fall leer aus.

Vorlaufsrecht, Foto mit sieben Personen unterschiedlicher Ethnien, alle sitzen in der Reihe auf einem Stuhl, die mittlere Person sitzt erhöht auf der Lehne des Stuhls, Foto: iStock.com / PeopleImages
Beim Vorkaufsrecht kann der Vorkaufsberechtigte in einen bereits abgeschlossenen Kaufvertrag statt des Erstkäufers eintreten. Foto: iStock.com / PeopleImages

Wie kann ich mein Vorkaufsrecht beanspruchen?

Hat ein Verkäufer einen Interessenten für eine Immobilie gefunden, bei der ein Vorkaufsrecht besteht, muss er den Vorkaufsberechtigten darüber informieren. Voraussetzung dafür ist, dass es ein verbindliches Angebot oder einen wirksamen Kaufvertrag vorliegt.

Der Vorkaufsberechtigte muss sich dann innerhalb einer Frist von 30 Tagen entscheiden, ob er sein Vorkaufsrecht ausüben will oder nicht. Seine Entscheidung sollte er dem Verkäufer schriftlich mitteilen.

Um das Vorkaufsrecht fristgerecht auszuüben, muss nicht nur innerhalb der 30 Tage die Entscheidung fallen, sondern auch der vollständige Kaufpreis entrichtet werden. Für den Fall, dass dieser auch vom Erstkäufer erst später zu entrichten wäre, reicht es aus, wenn der Kaufpreis durch eine Bankgarantie sichergestellt oder treuhänderisch hinterlegt wird.

Kann ich auf mein Vorkaufsrecht verzichten?

Es gibt zwei Wege, auf sein Vorkaufsrecht zu verzichten. Entweder der Vorkaufsberechtigte lässt die Frist verstreichen oder er verzichtet durch eine entsprechende Erklärung.

Es gibt jedoch auch die Möglichkeit, sich sein Vorkaufsrecht abgelten zu lassen. Hierfür ist eine schriftliche Zustimmung auf das Vorkaufsrecht zu verzichten jedoch notwendig. „Als Gegenleistung wird hierbei oftmals eine Geldzahlung geleistet, es können aber auch andere geldwerte Mittel sein“, erklärt Rechtsanwalt Markus Wieneroiter. Eine pauschale Regelung, wie hoch diese Abgeltung ausfallen muss, gibt es nicht. Das können die Beteiligten frei vereinbaren. „In der Regel wird jedoch der Einheits- oder Verkehrswert der Immobilie zur Orientierung genutzt“, sagt Wieneroiter.

Was passiert, wenn ich eine Immobilie kaufen will, auf die ein Vorkaufsrecht besteht?

Wer eine Liegenschaft kaufen will, für die eine andere Person ein Vorkaufsrecht hat, kann an sich nur hoffen, denn der Vorkaufsberechtigte sitzt am längeren Hebel. Wenn dieser nicht auf sein Vorkaufsrecht verzichtet oder die Frist verstreichen lässt, hat der Erstkäufer keine Möglichkeit, sich gegen ihn durchzusetzen.

Er kann allerdings einen finanziellen Anreiz schaffen und dem Vorkaufsberechtigten eine Ausgleichszahlung vorschlagen. In dem Falle würde der Vorkaufsberechtigte für den Verzicht auf sein Recht bezahlt. Wie hoch diese Ausgleichszahlung ausfällt, können beide Parteien frei verhandeln.

Wie gehe ich vor, wenn ich eine mit Vorkaufsrecht belastete Immobilie verkaufen will?

Wer eine mit Vorkaufsrecht belastete Immobilie verkaufen will, muss den Vorkaufsberechtigten darüber informieren  , sobald ein verbindliches Angebot eines Käufers oder ein bereits unterschriebener Kaufvertrag besteht. Der Inhalt des Kaufvertrages darf dann nicht mehr verändert werden. Für den Verkäufer bedeutet dies also kein Verlustgeschäft – ihm kann egal sein, ob es der Erstkäufer oder der Vorkaufsberechtigte letztendlich bekommt.

Mindert das Vorkaufsrecht den Wert der Immobilie?

In der Immobilienbewertung spielt das Vorkaufsrecht nur eine untergeordnete Rolle. Daher ist von keiner deutlichen Wertminderung auszugehen. Auch weil das Vorkaufsrecht erlischt, sobald der Berechtigte es nicht ausübt – dem Käufer entsteht dadurch kein Nachteil. Es kann nur passieren, dass er die Immobilie doch nicht kaufen kann.

Kann ich das Vorkaufsrecht umgehen?

Theoretisch lässt sich das Vorkaufsrecht umgehen. „Die gängige Rechtsprechung zeigt, dass der Versuch das Vorkaufsrecht zu umgehen – vor allem durch Abgabe von Scheinangeboten oder fingierten Tauschgeschäften – häufig unternommen wird“, sagt Rechtanwalt Markus Wieneroiter. In der Regel jedoch vergeblich: „Wird zum Beispiel ein Tauschvertrag vorgeschoben, um einen Vorkaufsfall nicht auszulösen, sieht die Rechtsprechung den Vorkaufsfall dennoch als ausgelöst“, erklärt der Rechtsexperte.

Scheitert der Verkäufer beim Versuch, das Vorkaufsrecht zu umgehen, kommt es für die Konsequenzen darauf an, welche Art von Vorkaufsrecht vorliegt. Beim dinglichen Vorkaufsrecht kann der Berechtigte auf seinen Anspruch pochen und die Immobilie dennoch einfordern. „Bei einem schuldrechtlichen Vorkaufsrecht hat dieser zumindest ein Recht auf Schadenersatz“, so Wieneroiter.

Info

Es ist ratsam, auch dem potenziellen Käufer mitzuteilen, dass die Immobilie mit einem Vorkaufsrecht belastet ist. Dieser könnte sonst Schadenersatz einfordern, weil das ursprüngliche Geschäft nicht geklappt hat.

Was passiert mit dem Vorkaufsrecht bei Erbe oder Schenkung?

Wird eine Immobilie vererbt oder verschenkt tritt der Vorkaufsfall nicht ein. Jedoch bleibt das Vorkaufsrecht auch beim neuen Eigentümer bestehen. Sollte also der Erbe oder Beschenkte die Immobilie verkaufen wollen, muss er den Vorkaufsberechtigten darüber informieren.

Es ist allerdings möglich, dass eine andere Vereinbarung getroffen wurde und diese entweder vertraglich festgehalten oder sogar im Grundbuch vermerkt sind. So kann es zum Beispiel sein, dass das Vorkaufsrecht in jeglichen Fällen eintritt, wenn der Eigentümer wechselt – egal ob Verkauf, Erbe oder Schenkung.

Das Vorkaufsrecht selbst kann nicht vererbt oder verschenkt werden (§1074 ABGB).

Habe ich als Mieter ein Vorkaufsrecht auf meine Wohnung?

Wird ein Mietshaus mit mehreren Wohnungen in Eigentumswohnungen aufgeteilt, so haben anders als beim Nachbarn Deutschland, die Mieter in Österreich kein Vorkaufsrecht. „Lediglich bei geförderten Genossenschaftswohnungen oder Mietkauf-Wohnungen besteht die Möglich, dass der Mietvertrag die Möglichkeit zum Kauf der Wohnung – oft mit Ablauf einer vereinbarten Frist – besteht“, sagt Rechtsanwalt Markus Wieneroiter.

19.08.2022


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