Messie in der Wohnung: So sollten Vermieter handeln
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Messies sind der Albtraum eines jeden Vermieters. Sie horten Gegenstände und Müll und im schlimmsten Fall wird die Wohnung unbewohnbar. Wie Vermieter ihr Eigentum schützen können und wie sie mit Messies umgehen sollten.
Woran erkenne ich, dass mein Mieter ein Messie ist?
Einen Messie in der Wohnung frühzeitig zu erkennen, ist für einen Vermieter in der Regel recht schwer. Denn die Auswirkungen sind meist erst dann nach außen sichtbar, wenn es bereits zu spät und die Wohnung voll mit gehorteten Gegenständen ist.
Was ist das Messie-Syndrom?
Das Messie-Syndrom ist eine psychische Störung, die auch Wertbeimessungsstörung heißt – mess kommt aus dem englischen und bedeutet Unordnung, Chaos.
Der Grund für das Verhalten von Menschen mit einem Messie-Syndrom sitzt meist tief in der Psyche und äußert sich durch das Horten von meist nutzlosen Dingen, wie alten Zeitungen, Umverpackungen und leeren Plastikflaschen. Für den Messie jedoch können sie wirken wie ein kleiner Schatz.
Die Steigerung des Messie-Syndroms ist das Vermüllungssyndrom. Betroffene horten dann auch richtigen Müll. Zunehmend verwahrlost dann der Mieter selbst und isoliert sich. Das Ergebnis dieser Desorganisationsproblematik ist dann eine vollgestopfte und vermüllte Wohnung.
Wenn der Vermieter nicht mit im Haus wohnt, werden es in der Regel Nachbarn des Messie-Mieters sein, die ihn auf das Problem aufmerksam machen. Das kann beispielsweise sein, weil der Unrat in der Wohnung Ungeziefer angelockt hat oder starke unangenehme Gerüche aus der Wohnung dringen.
Es kann aber auch durch Zufall entdeckt werden, beispielsweise bei einer notwendigen Wohnungsbesichtigung.
Was kann ich bei einem Messie-Mieter tun?
Das weitere Handeln kommt stark darauf an, was der Mieter in der Wohnung sammelt. Sobald aufgrund der gehorteten Gegenstände eine Brand- oder Ungeziefergefahr besteht, kann und sollte ein Vermieter dagegen vorgehen:
Schritt-für-Schritt-Anleitung
Schritt 1: Überprüfen, wie vermüllt die Messiewohnung ist
Vermieter, deren Wohnung von einem Messie bewohnt wird, haben wenig zu lachen – denn ein Mieter mit dem Messie-Syndrom kann den Wert alltäglicher Gegenstände nicht richtig einschätzen – brauchbar nicht von unbrauchbar, wichtig nicht von unwichtig unterscheiden. Die Folgen sind meist Ansammlungen von Müll und nutzlosen Dingen. Organische Abfälle oder vernachlässigte Haustiere ziehen zudem oft Ungeziefer an. Schaden diese Mieter mit ihrem Verhalten der Bausubstanz oder beinträchtigen andere Mieter handeln sie vertragswidrig. Dagegen kann der Vermieter vorgehen.
Sollte der Verdacht bestehen, in der Wohnung einen Messie als Mieter zu haben, „sollten Vermieter eine Wohnungsbesichtigung veranlassen, um sich Gewissheit über das Ausmaß eines allfälligen erheblich nachteiligen Gebrauchs verschaffen“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Martin Prunbauer, Präsident des Österreichischen Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB). „Notfalls muss der Vermieter das Zutrittsrecht im Rechtsweg durchsetzen.“
Grundsätzlich sei es ratsam, für ein eventuelles künftiges Gerichtsverfahren Beweise zu sammeln, sagt Mag. Roman Tenschert, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Wieneroiter Raffling Tenschert & Partner Rechtsanwälte GmbH. Der auf Mietrecht für Vermieter spezialisierte Fachanwalt empfiehlt, beispielsweise Kontakt mit den Nachbarn des betreffenden Mieters aufnehmen und Geruchswahrnehmungen, Ungeziefer, Fleckenbildung in den angrenzenden Wohnungen zu dokumentieren und gegebenenfalls auch zu fotografieren. „Denn die Beweislast für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes trägt der Vermieter“, erklärt Roman Tenschert.
Schritt 2: Den Mieter abmahnen und Kündigung aussprechen
Ist es einwandfrei nachweisbar, dass der Messie-Mieter ein Problem für die Mietsache oder die Nachbarn darstellt, kann der Vermieter eine Kündigung in Betracht ziehen.
Ob eine vorherige Abmahnung notwendig ist, hängt davon ab, ob dem Mieter bewusst ist, dass sein Verhalten der Mietwohnung oder den Nachbarn schadet (OGH 7 Ob 704/86 und 5 Ob 52/97). Ist dem Mieter bewusst, was er macht, ist nach diesem OGH-Urteil keine Abmahnung nötig. Weiß der Mieter nicht, was er tut, muss er vorher abgemahnt und so auf sein Verhalten aufmerksam gemacht werden. „Da möglicherweise nicht bekannt ist, ob dem Mieter die Schädlichkeit seines Verhaltens bewusst ist, ist bei Messie-Mietern eine vorherige Abmahnung ratsam“, sagt Fachanwalt Roman Tenschert. Der ÖHGB-Präsident Martin Prunbauer ergänzt: „Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls kann es darüber hinaus sinnvoll sein, eine außergerichtliche Lösung zu erzielen.“
Ist trotz Abmahnung keine Besserung erkennbar, kann der Vermieter die Kündigung des Messie-Mieters angehen. Dabei kommt es darauf an, ob die Mietwohnung vollständig, teilweise oder nicht unter das Mietrechtsgesetz (MRG) fällt.
Das gilt bei Wohnungen im Voll- oder Teilanwendungsbereich des MRG
Will der Vermieter einer Wohnung, die teilweise oder vollständig unter das MRG fällt, dem Messie-Mieter kündigen, so greift der Paragraf 30 Absatz 2 Nummer 3 des Mietrechtgesetzes. Vernachlässigt ein Mieter die Wohnung oder stört die Nachbarn in erheblichem Ausmaß, ist eine Kündigung demnach gerechtfertigt.
Nach der gängigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei dies dann der Fall, wenn wichtige Interessen des Vermieters – wie der gute Zustand seines Mietobjektes – verletzt beziehungsweise die Bausubstanz beschädigt würden oder eine Beschädigung drohe, erklärt Rechtsanwalt Tenschert.
Beispiele aus der Rechtsprechung:
- Verwahrlosung in Verbindung mit erheblichen Brand- und Ungeziefergefahr durch Lagerung von Unrat entspricht erheblich nachteiligen Gebrauch der Wohnung (OGH 8 Ob 67/14g)
- Bei fortgesetztem Ansammeln und Belassen von Müll diverser Art in der gesamten Wohnung besteht drohende Gefahr von Ungeziefer (OGH 3 Ob 164/02t)
- Besteht aufgrund des Anhäufens von Gerümpel und Abfall auch Ungeziefergefahr für andere Wohnungen, ist ebenfalls der Kündigungsgrund wegen rücksichtslosen und ungehörigen Verhaltens gegenüber der Nachbarschaft erfüllt (OGH 7 Ob 652/82)
Der Oberste Gerichtshof hat sich auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob jemandem das Mietverhältnis gekündigt werden kann, wenn sein Fehlverhalten auf ein Krankheitsbild – in diesem Fall das Messie-Syndrom – zurückzuführen ist. So heißt es in einem Urteil beispielsweise, dass eine psychische Krankheit zwar zu beachten sei, jedoch die Nachbarn nicht jedwedes Verhalten in Kauf nehmen müssen. Es muss also im Einzelfall eine Interessenabwägung stattfinden, bei der das Verhalten der erkrankten Person ein weniger strenger Maßstab zugrunde gelegt werden müsse (OGH 4 Ob 124/20v). In einem anderen Fall begründeten die Richter ihre Entscheidung damit, dass auch psychische Probleme oder Krankheitsbilder eine Kündigung nicht verhindern können, wenn dadurch eine erhebliche Brand- oder Ungeziefergefahr besteht (OGH 8 Ob 53/20).
Wichtig: Ordentliche Kündigungen im Voll- oder Teilanwendungsbereich müssen gerichtlich aufgekündigt werden.
Das gilt, wenn die Wohnung nicht unter das MRG fällt
Abseits des MRG können Vermieter noch den Paragrafen 1118 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) heranziehen und den Mieter wegen nachteiligen Gebrauchs kündigen. „Dieser Paragraf gilt für alle Mietgegenstände, somit auch für Mietobjekte im Vollausnahmebereich“, erklärt ÖHGB-Präsident Martin Prunbauer. Ist der Vertrag zudem unbefristet vereinbart, so bedarf es nach ABGB keiner Kündigungsgründe.
Hilft das alles nichts und der Mieter zieht nicht aus der Wohnung aus bleibt dem Vermieter nur noch die Räumungsklage.
Schritt 3: Entrümpelung der Messiewohnung
Ist der Mieter ausgezogen und hinterlässt Berge von Unrat muss sich in der Praxis meist der Vermieter um die Entrümpelung kümmern. Dafür gibt es Firmen, die sich auf die Entrümpelung von Messie-Wohnungen spezialisiert haben. Diese kennen sich mit entsprechenden Hygienevorschriften aus und kann die Wohnung in den Ursprungszustand zurücksetzen.
Die Gegenstände, die hinterlassen wurden, dürfen aber nicht einfach weggeworfen werden. „Das eigenmächtige Beseitigen von scheinbar wertlosen Gegenständen kann schadenersatzpflichtig machen und auch strafrechtliche Tatbestände erfüllen“, warnt Mietrechtsexperte Roman Tenschert. Ein betroffener Vermieter muss also für den Abtransport und die Verwahrung der Gegenstände sorgen. Die Kosten dafür trägt zwar der Mieter, der Vermieter muss jedoch in aller Regel erst einmal in Vorlage treten. In den meisten Fällen ist jedoch beim Mieter kein Vermögen vorhanden, woraufhin der Vermieter auf den Kosten sitzen bleibt.
So können Vermieter die Kosten minimieren
Damit Vermieter nicht an ihre finanziellen Grenzen stoßen, können sie bei der Räumung der Wohnung einen Sachverständigen zur Feststellung der Einlagerungswürdigkeit von Räumungsgut hinzuziehen, erklärt Tenschert. Doch auch dort gibt es Feinheiten, auf die geachtet werden müssen. Denn auch finanziell wertlose Dinge, können für den Mieter einen hohen ideellen Wert haben und bedürfen dadurch dennoch einer Einlagerung. Das können zum Beispiel Fotoalben mit Familienfotos sein.
Ist der Messiemieter nach dem Auszug nicht mehr auffindbar oder aus anderen Gründen abwesend, ist die Gefahr, dass der Vermieter auf den Kosten sitzen bleibt, sehr hoch. „In diesem Fall kann ein Zustellkurator bestellt werden“, rät der Fachanwalt. Dadurch entstehen dem Vermieter zwar weitere Kosten, aber erst dann können die eingelagerten Gegenstände gepfändet werden. „Durch eine gerichtliche Versteigerung kann der erzielte Erlös zur Befriedigung der entstandenen Kosten dienen“, sagt Tenschert. Das ist allerdings nur dann wirklich sinnvoll, wenn es sich um faktisch wertvolle Gegenstände handelt.
Kann ich mich vor einem Messie-Mieter schützen?
Bei der Auswahl eines passenden Mieters ist es für Vermieter nicht von vorneherein ersichtlich, ob der Interessent unter dem Messie-Syndrom leidet. Es ist aber sinnvoll, sich beispielsweise die Bonität bestätigen zu lassen. Denn nicht selten geht mit dem Messie-Syndrom einher, dass der Mieter seine Miete nicht immer rechtzeitig zahlen kann, weil auch eine Verschuldung vorliegt.
Wichtig ist auch, auf das eigene Bauchgefühl zu vertrauen. Wer seinen Mietinteressenten etwas besser kennenlernt, bekommt in der Regel ein Gespür dafür, ob es passt oder nicht. Eine Hilfe dabei kann die Mieterselbstauskunft sein.
Achtung: Sowohl die Bonitätsauskunft als auch die Mieterselbstauskunft kann ein Interessent verweigern.
Caroline Schiko
19.11.2021